Die Trennung oder Scheidung eines Paares bringt oft nicht nur tiefgreifende Veränderungen im Leben der Kinder mit sich, sondern betrifft auch andere Familienmitglieder wie Grosseltern, Onkel, Tanten oder enge Bezugspersonen, die den Kontakt zum Kind aufrechterhalten möchten. Doch welche Rechte haben sie in diesem Kontext? Das Bundesgericht hat sich kürzlich in seinem Urteil vom 14. Oktober 2024 (5A_359/2024) mit der Frage des Besuchsrechts Dritter befasst – ein entscheidendes Thema für viele Familien in der Schweiz.
Das Besuchsrecht Dritter: Ein gesetzlich geregeltes Recht
Gemäß Artikel 274a des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) können Dritte, darunter insbesondere Großeltern oder andere enge Familienmitglieder, bei den zuständigen Behörden ein Besuchsrecht beantragen. Dieses Recht ist jedoch nicht automatisch gewährleistet. Um eine Besuchsregelung zu erhalten, muss nachgewiesen werden, dass eine enge emotionale Bindung zum Kind besteht und dass der Kontakt im übergeordneten Interesse des Kindes liegt.
Voraussetzungen für die Gewährung eines Besuchsrechts
Das Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 14. Oktober 2024 die Anwendung von Artikel 274a ZGB präzisiert und klargestellt, dass die Behörden mehrere Aspekte sorgfältig prüfen müssen, bevor sie einem Dritten ein Besuchsrecht einräumen:
Die emotionale Bindung zum Kind: Der Antragsteller muss nachweisen, dass er eine enge und stabile Beziehung zum Kind unterhält. Dies kann durch regelmässige und positive Kontakte vor der Trennung oder durch besondere Umstände belegt werden, unter denen das Kind eine enge emotionale Verbindung zu dieser Person aufgebaut hat.
Das Wohl des Kindes: Das zentrale Kriterium jeder gerichtlichen Entscheidung zum Besuchsrecht ist das Kindeswohl. Die Richter müssen bewerten, ob der Kontakt mit der Drittperson das Wohlbefinden des Kindes fördert oder unterstützt. Falls die Aufrechterhaltung dieser Beziehung als vorteilhaft für das Kind erachtet wird, stehen die Chancen auf eine Genehmigung gut.
Die Auswirkungen der Trennung: Auch die Folgen der Trennung oder Scheidung für das Kind und die Eltern werden berücksichtigt. In manchen Fällen kann ein regelmässiger Kontakt mit einer vertrauten Bezugsperson dem Kind helfen, emotionale Stabilität zu bewahren. Andererseits kann ein Besuchsrecht verweigert oder eingeschränkt werden, wenn der Kontakt dem Kind schaden oder unnötige Spannungen innerhalb der Familie verursachen könnte.
Grenzen und Vorsichtsmassnahmen beim Besuchsrecht
Selbst wenn das Besuchsrecht Dritter gewährt wird, gibt es klare Grenzen. Das Gericht kann Häufigkeit, Ort und Dauer der Besuche entsprechend der individuellen Umstände festlegen. Ziel ist es, eine gesunde und positive Beziehung zwischen dem Kind und der Drittperson zu erhalten, ohne das emotionale Wohlbefinden oder die Stabilität des Kindes zu gefährden.
Außerdem kann sich die Situation im Laufe der Zeit verändern. Falls eine Drittperson, die ein Besuchsrecht erhalten hat, nicht mehr in der Lage ist, eine stabile Beziehung zum Kind aufrechtzuerhalten, kann eine Anpassung oder ein Entzug des Besuchsrechts in Betracht gezogen werden, um den aktuellen Gegebenheiten besser zu entsprechen.
Die Rolle der Eltern bei der Festlegung des Besuchsrechts
Die Eltern spielen eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung des Besuchsrechts Dritter. Falls ein Elternteil gegen das Besuchsrecht Einspruch erhebt, liegt es an den Richtern, eine Entscheidung zu treffen, die dem Wohl des Kindes am besten dient. Ein Widerspruch der Eltern führt nicht automatisch zur Ablehnung des Antrags, stellt jedoch einen wichtigen Faktor dar, der in die richterliche Abwägung einfliesst.
Die Rolle der Behörden und Gerichte
Kommt es zu Streitigkeiten über das Besuchsrecht Dritter, liegt es oft an den zuständigen Behörden oder Gerichten, eine Lösung zu finden. In einigen Fällen kann eine familienrechtliche Mediation helfen, eine einvernehmliche Regelung zu erreichen, bevor es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt. Die Gerichte fällen ihre Entscheidungen stets auf Grundlage einer umfassenden Analyse der jeweiligen Situation, mit dem Ziel, das Kindeswohl zu gewährleisten.
Fazit: Ein sensibles Thema, das Respekt und Ausgewogenheit erfordert
Das Besuchsrecht Dritter nach einer Trennung ist ein sensibles Thema, das eine Balance zwischen den Bedürfnissen des Kindes und den Rechten nahestehender Familienmitglieder erfordert. Die Schweizer Gerichte sind darauf bedacht, das Wohl der Kinder zu schützen und gleichzeitig deren enge familiäre Bindungen zu erhalten, sofern dies nicht mit Risiken oder Konflikten verbunden ist.