Die Nutzung geerbter Vermögenswerte zur Zahlung von Unterhaltszahlungen: eine rechtliche Perspektive gemäss Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB

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Die Frage der Nutzung geerbter Vermögenswerte zur Erfüllung der Unterhaltspflichten ist ein heikles Thema, das viele juristische und ethische Aspekte berührt. In der Schweiz spielt Artikel 176 Absatz 1 Ziffer 1 des Zivilgesetzbuches (ZGB) eine Schlüsselrolle in dieser Diskussion, da er es ermöglicht, dass geerbte Vermögenswerte zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen herangezogen werden können.

Das allgemeine Prinzip

Im Allgemeinen ist es nicht erforderlich, geerbte Vermögenswerte für die Zahlung von Unterhaltsbeiträgen zu verwenden. Diese Regel basiert auf dem Prinzip, dass Erbschaften, die oft als Familien- oder persönliches Vermögen betrachtet werden, nicht für laufende Unterstützungspflichten aufgebraucht werden sollten.

Die Ausnahmefälle

Artikel 176 Absatz 1 Ziffer 1 ZGB sieht jedoch Ausnahmen dieser Regel vor. In bestimmten Fällen kann die Nutzung geerbter Vermögenswerte verlangt werden, um den Bedürfnissen der Familie gerecht zu werden. Diese Ausnahmesituationen können beinhalten:

  • Unzureichende andere Ressourcen: wenn die Person, die zur Zahlung der Unterhaltsbeiträge verpflichtet ist, nicht über ausreichende andere Ressourcen verfügt, um ihren Verpflichtungen nachzukommen, kann es als vernünftig erachtet werden, die geerbten Vermögenswerte zu nutzen.
  • Notwendigkeit der Familienbedürfnisse: wenn die Bedürfnisse der Familie, insbesondere der Kinder, nicht durch die gewöhnlichen Einkünfte gedeckt werden können, kann es notwendig sein, auf die geerbten Vermögenswerte zurückzugreifen.
  • Schutz des Kindeswohls: in bestimmten Situationen können die Gerichte entscheiden, dass die Nutzung geerbter Vermögenswerte im besten Interesse des Kindes liegt und so ein angemessener Lebensstandard gewährleistet wird.

Die Bewertungskriterien

Um festzustellen, ob die geerbten Vermögenswerte genutzt werden müssen, berücksichtigen die Gerichte mehrere Kriterien, wie zum Beispiel:

  • Die Art und der Wert des Erbes: nicht alle Erbschaften sind gleichwertig. Eine Erbschaft in Form von Bargeld ist leichter mobilisierbar als eine Immobilie oder Kunstwerke.
  • Andere Ressourcen und Verdienstmöglichkeiten des Schuldners: bevor die Nutzung geerbter Vermögenswerte angeordnet wird, ist es wichtig zu prüfen, ob der Schuldner über andere Ressourcen verfügt oder seine Einkünfte erhöhen kann.
  • Die Höhe und Dauer der Unterhaltsverpflichtungen: die Verhältnismässigkeit zwischen dem Erbe und den Unterhaltspflichten ist ein entscheidender Faktor. Ein kleines Erbe sollte nicht vollständig für langfristige Verpflichtungen verwendet werden.

Die Nutzung geerbter Vermögenswerte zur Zahlung von Unterhaltspflichten bleibt eine komplexe Frage, die eine sorgfältige Bewertung der spezifischen Umstände jedes Einzelfalls erfordert. Obwohl das allgemeine Prinzip darin besteht, Erbschaften zu schützen, ermöglichen die Ausnahmen des Artikels 176 Absatz 1 Ziffer 1 ZGB, dass die wesentlichen Bedürfnisse der Familie auch durch den Rückgriff auf geerbte Vermögenswerte gedeckt werden können. Die schweizerischen Gerichte spielen somit eine entscheidende Rolle bei der Abwägung der Interessen zwischen dem Schutz des geerbten Vermögens und dem Bedürfnis nach familiärer Unterstützung.

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