Eltern-Kind-Entfremdung in der Schweiz – Zwischen Recht und Realität

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Die Eltern-Kind-Entfremdung, oft auch „Parental Alienation Syndrome“ (PAS) genannt, ist ein immer wieder diskutiertes Thema bei Scheidung und Trennung. In der Schweiz, wo das Familienrecht das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellt, ist dieses Konzept jedoch umstritten, weil es zwischen juristischer Anerkennung und wissenschaftlicher Skepsis schwankt.

Was ist Eltern-Kind-Entfremdung?

Eltern-Kind-Entfremdung beschreibt eine Situation, in der ein Kind ohne nachvollziehbaren Grund einen Elternteil ablehnt – meistens unter dem Einfluss des anderen Elternteils. Dieser Prozess tritt besonders in sehr konfliktreichen Trennungssituationen auf. Dort setzt ein Elternteil den anderen bewusst oder unbewusst herab, was schließlich zu einem Bruch der Eltern-Kind-Beziehung führt.

Das Konzept des „Parental Alienation Syndrome“ (PAS) wurde in den 1980er-Jahren vom Psychiater Richard Gardner eingeführt. Da es aber in offiziellen Klassifikationen psychischer Störungen wie dem DSM-5 nicht anerkannt ist, bleibt es umstritten. Trotzdem erkennen einige Rechtssysteme und Experten der Kinderpsychologie Eltern-Kind-Entfremdung als dynamisches Beziehungsphänomen an.

Teilweise Anerkennung in der Schweiz

In der Schweiz wird Eltern-Kind-Entfremdung nicht als medizinisches Syndrom anerkannt. Dennoch kann sie in Sorgerechtsfällen eine Rolle spielen. Das Schweizer Recht betont, dass nach einer Trennung die Beziehung zwischen Kind und beiden Elternteilen erhalten bleiben soll (Art. 273 ZGB). Wenn ein Elternteil diese Beziehung absichtlich behindert, kann das als Verstoß gegen das Kindeswohl gewertet werden. Das kann Auswirkungen auf das Sorgerecht haben.

Die Risiken der Eltern-Kind-Entfremdung

Die Folgen für das betroffene Kind können sowohl schwerwiegend als auch langfristig sein. Dazu gehören:

  • Emotionale und psychische Probleme wie Ängste, Depressionen und geringes Selbstwertgefühl.

  • Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen, besonders beim Aufbau und Erhalt gesunder Bindungen.

  • Wiederholung von Konfliktmustern: Kinder, die Eltern-Kind-Entfremdung erlebt haben, können später ähnliche Probleme in ihren eigenen Familien bekommen.

Auch für den entfremdeten Elternteil ist die Situation belastend. Sie reicht von emotionalem Leid bis zum vollständigen Kontaktverlust zum Kind.

Ein umstrittenes Konzept: Zwischen Instrumentalisierung und Realität

Trotz der offensichtlichen Probleme warnen einige Experten und Organisationen vor dem Missbrauch des Konzepts in Gerichtsverfahren. In manchen Fällen wird die Behauptung einer Eltern-Kind-Entfremdung genutzt, um Vorwürfe von Missbrauch oder häuslicher Gewalt zu entkräften.

Deshalb müssen Schweizer Richter und Gutachter genau unterscheiden, ob es sich wirklich um Eltern-Kind-Entfremdung handelt oder ob das Kind einen Elternteil aus guten Gründen ablehnt, zum Beispiel wegen Misshandlung oder Vernachlässigung.

Wie kann Eltern-Kind-Entfremdung verhindert werden?

Um dem Problem entgegenzuwirken, gibt es verschiedene Ansätze:

  • Förderung der gemeinsamen Elternschaft: Eltern sollten ermutigt werden, trotz Trennung konstruktiv zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten.

  • Familienmediation: Ein Mediator kann helfen, Konflikte zu lösen und entfremdende Verhaltensweisen zu vermeiden.

  • Sensibilisierung von Fachleuten: Richter, Anwälte und Sozialarbeiter sollten geschult werden, um Fälle von Eltern-Kind-Entfremdung besser zu erkennen und Fehlurteile zu vermeiden.

  • Psychologische Unterstützung: Kindern, die betroffen sind, sollte therapeutische Hilfe angeboten werden, damit die Folgen abgemildert werden.

Fazit

Eltern-Kind-Entfremdung ist ein komplexes und oft umstrittenes Thema an der Schnittstelle von Recht, Psychologie und Familienkonflikten. Auch wenn sie in der Schweiz nicht als medizinisches Syndrom anerkannt wird, kann sie dennoch bei gerichtlichen Entscheidungen berücksichtigt werden.

Um das Kindeswohl bestmöglich zu schützen und gesunde Beziehungen nach einer Trennung zu fördern, ist es wichtig, eine differenzierte Herangehensweise zu wählen. Zudem sollte der Dialog zwischen Eltern, Fachleuten und Justiz gestärkt werden.

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